„Heute, 1 Jahr nachdem ich auf eine Pille ohne Östrogen gewechselt habe, nachdem meine Frauenärztin mir versucht hat auszureden, dass es an der Pille liegt, geht es mir um Welten besser!“ – ein Interview mit Jasmin – Muräne-Stories No.2

In den Muräne-Stories möchte ich nicht nur meine eigenen Geschichten teilen. Ich habe ein paar Betroffene befragt und ihre Erfahrungen könnt ihr in dieser Reihe lesen.

Muräne-Blog: Hallo! Wer bist Du und was machst Du beruflich?

Jasmin: Ich bin Jasmin, 21 Jahre alt und komme aus der Nähe von Hamburg. Ich beende gerade meine Ausbildung zur Industriekauffrau und arbeite somit in einem klassischen Bürojob.

Muräne-Blog: Seit wann hast du Migräne? Und wie äußert sie sich?

Jasmin: Ich habe Migräne seit ich in etwa 15 Jahre alt bin und habe jahrelang an hormoneller Migräne ohne Aura gelitten, bedingt durch die Einnahme östrogenhaltiger Pillenpräparate.

Meine Migräne äußert sich zum Anfang hin durch generelles Unwohlsein und leichten, normalen Kopfschmerz, meist merke ich schon zu Beginn, dass sich dieser im laufe des Tages stark wandeln wird und in starke Migräne übergeht. Der Schmerz ist bei mir meist einseitig und fühlt sich an wie ein stechen hinter dem Auge und gleichzeitig wie ein permanenter Schlag gegen den Kopf, ich merke quasi richtig meinen Puls in der Stirn. Ich reagiere dann extrem empfindlich auf Geräusche und Licht, mir wird übel und meist kommt es dann auch zum Erbrechen, was meistens einen Teil des Schmerzes bessert. Ich fange an zu zittern und bekomme kaum noch etwas mit, meist lege ich mich dann schlafen und bete, dass es mir am nächsten Tag besser geht, meist war das aber nicht der Fall und es ging am nächsten Tag direkt von vorne los, wenn auch in abgeschwächter Form.

Muräne-Blog: Wie geht es Dir heute? Und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?

Jasmin: Heute, 1 Jahr nachdem ich auf eine Pille ohne Östrogen gewechselt habe, nachdem meine Frauenärztin mir versucht hat auszureden, dass es an der Pille liegt, geht es mir um Welten besser! Ich habe kaum noch Migräne und wenn, dann so selten, dass es meinen Alltag nicht mehr so beeinflusst wie damals, ich bin von 4x die Woche Migräne zu ungefähr 1x im Monat Migräne gekommen, Migräne liegt aber leider auch in meiner Familie und ich war schon immer sehr anfällig dafür.

Muräne-Blog: Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?

Jasmin: Meine Familie hat da Gott sei dank Verständnis gehabt, dadurch dass meine Migräne erblich bedingt ist und somit schon meine Oma damit zu kämpfen hatte, meine Eltern haben jedoch keine Migräne und wussten anfangs auch gar nicht, wie sie reagieren sollen. Ich habe dann gesagt ich benötige Ruhe, evtl. einen Kühlakku etc. Und dann haben sie mich in ruhe gelassen.

Meine Mama hat sich immer rührend um mich gekümmert, sie hat sich immer sehr hilflos gefühlt, weil sie wusste, dass sie nichts dagegen tun kann, aber ihre Fürsorge hat mir wenigstens kurz ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Meine Freunden haben Größtenteils auch Verständnis dafür, aber es gab und gibt immer wieder Leute, die Migräne als einfachen Kopfschmerz abtun, dann fallen so Sätze wie „du hast bestimmt zu wenig getrunken“ oder „das kommt vom Handy, stell dich nicht so an“ ich glaube viele Leute halten Migräne immer noch nur für Kopfschmerz, dabei ist Migräne eine ernstzunehmende Krankheit, vondaher würde ich mir, gerade von Leuten die nicht wissen, wie sich das anfühlt, wünschen dass sie einem etwas mehr Verständnis entgegen bringen.

Muräne-Blog: Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?

Jasmin: In meiner Freizeit gehe ich gerne schwimmen, entspanne mich gerne bei einem Saunagang oder unternehme etwas mit Freunden. Mittlerweile beeinflusst meine Migräne mich natürlich kaum noch, aber zu meiner Hochphase musste ich sehr oft Freunden absagen, habe den ganzen Tag im Bett verbracht und konnte somit auch kaum etwas für die Schule tun, das hat natürlich sehr an mir und meinen Leistungen genagt.

Muräne-Blog: Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?

Jasmin: Anfangs bin ich noch recht gut mit Aspirin zurechtgekommen, was ich aber keinem empfehle, da es die eh schon geweiteten Gefäße noch mehr weitet (was ja den Schmerz auslöst) ich bin dann nach etwas Recherche auf eine Wirkstoffgruppe namens Triptan gekommen. Es gibt 2 triptane die man ohne Rezept in der Apotheke bekommt nämlich Naratriptan und Almotriptan. Ich habe mit Naratriptan gestartet, Triptane zählen zu den Serotoninagonisten und sorgen dafür, dass sich die geweiteten Blutgefäße während eines Anfalls wieder zusammenziehen. Naratriptan benötigt allerdings um die 4 Stunden bis es wirkt, wirkt übrigens auch nur wenn man wirklich Migräne hat, normale Kopfschmerzen lassen sich damit nicht bekämpfen. Man sollte diese Tablette dann also so früh wie möglich nehmen, sonst leidet man wirklich extrem. Ich habe dann umgestellt auf Almotriptan, dies wirkt wesentlich schneller, circa nach einer halben Stunde und ich vertrage es auch sehr viel besser, das ist also mein Heilmittel Nr.1!

Vom Neurologen habe ich dann noch Sumatriptan verschrieben bekommen, aber Achtung das ist ein wirklich starkes Medikament und ihr solltet danach aufk keinen Fall Auto fahren! Mir hat es zwar geholfen, aber es hat mich sehr stark benommen gemacht und ich wusste gar nicht mehr, wie mir geschieht 😂 Almotriptan kann ich aber jedem ans Herz legen. Ansonsten habe ich noch die progressive Muskelentspannung versucht, das ist aber eher eine präventive Maßnahme, während eines Anfalls habe ich da keine Geduld für, war aber sehr angenehm und hat mir auch bei Verspannungen im Nacken gut geholfen. Magnesium habe ich auch probiert, aber leider überhaupt nicht vertragen, war also leider auch raus.

Muräne-Blog: Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?

Jasmin: Zu aller erst: besorgt euch bitte einen Termin beim Neurologen! Ich habe damit sehr lange gewartet, aber es hat mir unglaublich geholfen, mit jemandem zu sprechen, der mich ernst nimmt und der versteht, wie schlimm es ist, Migräne zu haben und der weiß, dass Migräne eine Krankheit und kein Symptom ist. Die kassenärztliche Vereinigung kann euch bei ein Termin helfen, Neurologen gibt es, zumindest hier leider nicht viele und wenn, dann sind die Termine erst in einem halben Jahr. Schildert dort eure Lage, lasst euch und vielleicht eure Familie aufklären, was ihr für Möglichkeiten habt, welche Ursachen es gibt und welche Ursachen ihr für euch ausschließen könnt. Gegen manche Ursachen kann man angehen, manche sind leider fest verankert in eurer DNA (zumindest die Anfälligkeit dafür) besorgt euch Triptane für den Notfall, probiert aus, was euch hilft. Ganz vergessen: kennt ihr diese Wick Erkältungssalbe? Die wirkt bei mir Wunder gegen die Übelkeit, kann man sich prima auf die Schläfen schmieren, das hat es für mich erträglicher gemacht. Führt ein Tagebuch über eure Migräne, um zu schauen, ob sie (bei den Frauen unter euch) mit dem Zyklus/der Pille zusammenhängt.

Versucht genug zu trinken, auch wenn das kein Allheilmittel ist, aber schaden tut es nicht. Achtet etwas mehr auf eure Ernährung (bin da kein gutes Beispiel) und esst vielleicht mal einen Apfel statt eine Tüte Chips. Und zu guter letzt: Legt euch hin, macht es euch gemütlich, ruht euch aus, entspannt euch. Stress ist ein riesiger Trigger für Migräne, und er ist präsenter als man es für möglich hält. Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig oder gar eine Erklärung, hört auf euren Körper, schaltet einen Gang runter. Sprecht mit Familie oder Freunden darüber, so findet man oft Gleichgesinnte und tauscht euch aus, jedem helfen andere Medikamente oder Übungen, nur weil eins nicht funktioniert, können andere trotzdem für euch funktionieren, also nicht aufgeben!

Muräne-Blog: Etwas anderes, dass Du noch erzählen möchtest?

Jasmin: Lasst es nicht so weit kommen wie ich, die Pille ist immer noch einer der größten Auslöser dafür, ich wollte mir das aber selber nie eingestehen, da ich sonst keine Probleme mit der Pille hatte und auch jetzt nicht habe. Sprecht das an bei eurem Frauenarzt, probiert es mit östrogenfreien Pillen oder Hormonefreier Verhütung, ich habe jahrelang gelitten, obwohl der Auslöser mich jeden Abend auf meinem Nachttisch angegrinst hat (mal abgesehen von der erblichen Geschichte) was ich damit sagen will: Schließt nichts von Anfang an aus weil ihr denkt „das ist es sowieso nicht weil xy“ denn meistens ist es genau das.

Vielen Dank an Dich, Jasmin, dass Du Teil von Migräne-Muräne wirst und Deine Geschichte mit uns geteilt hast.

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