Regina ist eine starke Frau, die sich schon durch viel durchkämpfen musste. Hier ist ihre Geschichte über das Zusammenleben von ihr und Henry.
Wer bist Du und was machst Du?
Hallo, ich heiße Regina, bin 21 Jahre alt und mein Leben besteht aus dem großen, kleinen ABC. Asthma, Beinlähmung und CHD, einem angeborenen Herzfehler. Doch am meisten belastet mich meine chronische Migräne. Doch dazu gleich noch mehr. Zuerst möchte ich euch noch von meinem beruflichen Werdegang erzählen. Mein Traum war es (und ist es eigentlich auch immer noch) Medizin zu studieren. Deswegen hab ich mich auch voll ins Abitur gehängt, doch für den NC hat am Ende um wenige Punkte einfach nicht gereicht. Deshalb habe ich eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin begonnen, um meine Chancen auf einen Platz deutlich zu erhöhen. Doch diese musste ich dann gegen Ende des zweiten Lehrjahrs abbrechen. Henry, meine Migräne, hat wohl erstmal ganz andere Pläne für mich. Nach einem Aufenthalt in der Schmerzklinik Kiel und mehreren Gesprächen mit den behandelnden Ärzten und der dortigen Psychologin stand schnell fest, dass ich vorerst keinen wirklichen Job mehr ausüben könne. Nach etwas Bedenkzeit habe ich mich dann allerdings doch dazu entschieden, dass ich noch nicht bereit für eine Erwerbsminderungsrente bin und hab mich auch gleich in ein Fernstudium in Teilzeit eingeschrieben. Heilpädagogin zu werden ist nun erstmal mein Ziel und da ich mir die Lernzeiten selbst einteilen kann, hat selbst Henry keine Chance mir das zu nehmen. [Instagram: @reginasjourney]
Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?
Die Diagnose bekam ich damals mit 7 Jahren, wobei ich mich nicht daran erinnern kann, dass ich davor jemals wirklich schmerzfrei gewesen bin. Ziemlich schnell hat sich die anfänglich episodische Migräne mit Aura zu einer chronischen Migräne mit Aura entwickelt. In meinem Fall geht sie mit sehr starken pulsierenden Kopf-/Augen-/Kieferschmerzen, Übelkeit, Licht-/Lärm- und Geruchsempfindlichkeit, starken Gleichgewichtsstörungen und den neurologischen Ausfallerscheinungen der Aura einher. Während der Aura habe ich oft Sehstörungen bis zur vorüber gehenden Erblindung und Sprachstörungen. Oft sind die Attacken so heftig, dass ich auf die Intensivstation aufgenommen werden muss. Derzeit habe ich im Durchschnitt an jedem Tag im Monat voll ausgeprägte Symptome. Zwischen den einzelnen Attacken liegen jeweils nur wenige Stunden, wobei ich in dieser Zeit nicht schmerzfrei bin. Aufgrund dieser Ausprägung bin ich auch als schwerbehindert eingestuft worden und benötige oft fremde Hilfe, die ich zum Glück auch erhalte.
Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?
Migränetechnisch geht es mir heute von den Schmerzen her eigentlich so schlecht wie noch nie, obwohl ich mehrere Prophylaxen nehme und natürlich auch mehrere Akut Medikamente habe. Auf der anderen Seite geht es mir dafür im Umgang mit der Erkrankung so gut wie schon lange nicht mehr. Früher habe ich immer versucht, dass ja niemand bemerkt, dass ich Schmerzen habe oder es mir nicht gut geht. Vor anderen hab ich es einfach verleugnet und so getan, als wäre nichts. Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr bei der Stärke und der Intensität der Migräne und ich habe Hilfe bei den alltäglichsten Dingen gebraucht. Somit musste ich auch anfangen, den anderen alles über meine Migräne zu erzählen und mich den vielen Vorurteilen der Krankheit stellen. Sowohl meine Psychologin als auch der Aufenthalt in der Schmerzklinik Kiel haben mir sehr viel dabei geholfen, die Erkrankung erst einmal selbst voll und ganz zu akzeptieren und nicht mehr dagegen an zu kämpfen, was sämtliche Energie von mir geraubt hat, die ich für andere Dinge viel mehr gebraucht hätte. Heutzutage bin ich wirklich froh, dass jeder Bescheid weiß und mittlerweile auch der Großteil das Ausmaß der Erkrankung versteht. Das macht das sich Hilfe suchen auch deutlich einfacher.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?
Nachdem ich es so lange runtergespielt und verheimlicht hatte, gab es dann natürlich gerade in der Anfangszeit viele Probleme. Da ich zuvor einfach immer über meine Grenzen gegangen bin bis ich vollkommen am Boden war und mir dann jedoch klar wurde, dass es so nicht weitergehen kann. Gefühlt musste ich es jedem einzelnen dann auch alles mehrmals erzählen und Migräne erklären. Die zwei größten Vorurteile waren, dass Migräne ja nur Kopfschmerzen sind und ich mich doch nicht so anstellen solle. Schließlich ging es davor ja auch irgendwie. Nur dass irgendwie bedeutet hat, dass ich meine Bedürfnisse komplett missachtet habe. Als dies einige schlussendlich verstanden hatten, ging es gleich weiter mit dem Vorurteil, dass man ja MAL eine Migräneattacke haben kann, aber doch nicht jede Woche! Also ging meine Aufklärungsarbeit weiter bis es nahezu alle verstanden hatten. Wenn ich heute jemanden von meinem Weg erzähle und ihnen von Henry erzähle, sind die meisten zuerst einmal ziemlich geschockt, da man es mir nicht unbedingt anmerkt. Wirklichen Vorurteilen bin ich heute nur noch selten ausgesetzt. Ich geh viel selbstbewusster damit um und hab über die Jahre viel gelernt, wie ich solche durch Aufklärung auflöse.
Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?
In meiner Freizeit versuche ich zwischen den Attacken am liebsten mit einer Freundin an die frische Luft zu gehen und etwas Schönes zu unternehmen. Ich liebe es auch Fotos zu machen. Dadurch sammle ich extrem viel Kraft, die ich auch brauche, um eine Attacke zu überstehen und die Bilder zeigen mir, dass das Leben eigentlich wirklich schön ist. Meistens lassen wir es allersings ziemlich ruhig angehen, da ich in den wenigen Stunden, die ich zwischen den Attacken habe, trotzdem noch geschwächt bin und ich mich auch erstmal erholen muss. So eine Migräneattacke zieht eben nicht einfach so an jemanden vorüber.
Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?
Im Umgang mit der Erkrankung hilft mir vor allem Offenheit und auch, dass meine Familie und meine Freunde hinter mir stehen und ich mich somit nicht mit dem ganzen Chaos alleine fühle. Während einer Attacke helfen mir natürlich am besten meine Akut Medikamente. Aber auch ein dunkler leiser Raum, in dem ich mich hinlegen kann und ein Kühlpack auf dem Kopf helfen mir gut. Gerne höre ich dann auch leise einen Podcast an und mache die Augen zu oder ich höre eine Meditation an. Medikamentös habe ich bisher die verschiedensten Schmerzmittel von Paracetamol bis Hydromorphon getestet und auch alle Triptane, die es auf dem Markt gibt. Prophylaxe mäßig habe ich ebenfalls von Betablocker über Antiepileptika zu Antidepressiva alles durch. Auch Botox und alle CGRP Antikörper habe ich getestet. Im Januar habe ich meinen nächsten Termin in der Migräne Ambulanz und ich bin schon sehr gespannt, was als nächstes kommt. Eins ist mir nur jetzt schon klar: Aufgeben ist keine Option.
Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?
Ich bin für jede niedrigere Schmerzstunde unglaublich dankbar. Ich liebe mein Leben. Ich liebe das Leben. Trotz all der Lebensqualität, die mir tagtäglich genommen wird, ist die Liebe immernoch größer als der Hass auf meine Schmerzen. Und wenn ich als „Normalo“ das schaffe, dann schafft ihr es auch. Seid offen und ehrlich über das Ausmaß eurer Erkrankung. Auch wenn es manchmal sehr anstrengend ist und viel Mut und Kraft von euch verlangt, am Ende wird es sich auszahlen.
Ein Kommentar zu “„Aufgeben ist keine Option.“ – Interview mit Regina – Muräne-Stories No.16”