„Freunde habe ich in der Zeit meiner Migräne oft verloren, da ich oft Treffen absagen musste. Mittlerweile bin ich froh, dass sie gegangen sind.“ – Interview mit Melissa – Muräne-Stories No.21

Melissa hat chronische Migräne. Welchen Einfluss die Erkrankung auf ihre Ausbildung, ihren Freundeskreis und ihre Freizeit hat, erzählt sie hier.

Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin Melissa, bin 22 Jahre alt und lebe in NRW. Ich mache zurzeit eine schulische Ausbildung zur chemisch technischen Assistentin.

Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?

Ich habe circa seit dem 14. Lebensjahr Migräne mit Aura. Anfangs hatte ich nur circa 5 mal im Monat Migräne. Seit ein paar Jahren hat sie sich allerdings zu einer chronischen Migräne entwickelt mit durchschnittlich 20 Schmerztagen im Monat. In meinem 14. Lebensjahr habe ich ein Trauma erlitten, was meiner Meinung nach, der Auslöser war für Migräne (Posttraumatische Belastungsstörung).
Seit meinem 12. Lebensjahr etwa habe ich meine Periode und auch in der Zeit ging es mir sehr schlecht während der Perioden, allerdings, dachte ich es wären vielleicht normale Kopfschmerzen. Es ist also möglich, dass ich meine Migräne schon in Form einer hormonellen Migräne hatte.
Meine Schwester und meine Mutter haben auch Migräne, allerdings eher selten.

Die Migräne fängt an mit Stimmungsschwankungen, Müdigkeit, Gereiztheit und dem Drang etwas zu Essen. (Vorbotenphase: Dauert meistens nur einen Tag) Anschließend habe ich Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten zu sprechen, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit, Kreislaufprobleme und Sehstörungen (die Ränder an meinem Blickfeld werden verschwommen und ich sehe Lichtflecken vor meinem Auge, als hätte ich in die Sonne geschaut). Zusätzlich bekomme ich noch Geruchs- und Lichtempfindlichkeit. Geräusche sind nur schlimm, wenn sie besonders laut oder hoch sind. (Aura) Als nächstes kommen die Schmerzen. Diese variieren tatsächlich, manchmal sind sie schlagartig da und manchmal kommen sie schleichend. Zu den vorherigen Symptomen gesellen sich nun auch Erbrechen, eine laufende und verstopfte Nase, frieren und einen unglaublichen starken Puls (Blutdruck bleibt hierbei normal). (Migränephase). Nachdem die Schmerzen vorbei sind und die meisten Symptome abgeschwollen sind, bleibt eine Erschöpfung zurück. Zusätzlich habe ich entweder eine depressive Stimmung oder eine sehr euphorische Stimmung (Das hängt von der Dauer der Migräne ab). Meine Konzentration bleibt auch Stunden nach der Migräne auf das Minimum beschränkt.

Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?

Ich mache seit Jahren eine Psychotherapie wegen meiner Posttraumatischen Belastungsstörung. Seit circa einem halben Jahr habe ich sogar einen Therapeuten, der auf Schmerztherapie spezialisiert ist.
Mir hilft es sehr. Besonders ab dem Zeitpunkt, wo die Migräne häufiger wurde und das Verständnis der Menschen um mich herum geringer.
Seit die Migräne chronisch wurde, wurden auch meine Depressionen höher. Allerdings versuche ich immer das beste aus meiner Situation zu machen. Ich akzeptiere mittlerweile, dass ich nicht alles sofort schaffen kann und meine Fehlzeiten nicht mehr mit höherer Leistung ausgleichen muss.
Wenn ich das Gefühl habe, alles geht schief, denke ich daran, wie Marie Curie ihr Studium geschafft hat und als erste und einzige Frau zwei Nobelpreise im Bereich der Wissenschaft erlangt hat. Oder wie es Albert Einstein geschafft hat oder Sigmund Freud. Sie alle waren Genies und haben diese Welt mit ihrem Wissen bereichert. Sie alle haben etwas in ihrem Leben erreicht. Und ich kann das auch schaffen.

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?

Es gibt drei Sorten von Menschen:

1. Sie haben keine Migräne, wollen sie nicht verstehen und reagieren sehr negativ auf die Erkrankung.
2. Sie haben keine Migräne, wollen aber wissen wie sie sich äußert und reagieren einfühlsam.
3. Sie haben ebenfalls Migräne und teilen ihr Wissen mit dir.

Ich habe oft lernen müssen, dass man sich Respekt verdienen muss. Wenn die Leute meine Erkrankung nicht verstehen wollen, habe ich sie von meinen Fähigkeiten und meinen Leistungen überzeugt. Ich habe nie so getan als würde es mir gut gehen, wenn das nicht der Fall ist. Wenn es mir schlecht geht, darf man das ruhig sehen und ich habe gesagt mit welchen Problemen ich gerade kämpfe (z.B. Konzentrationsstörungen etc.). Ich fehle sehr viel in meiner jetzigen Ausbildung und musste ein Jahr wiederholen, da ich den ganzen Stoff nicht in der Zeit hätte nachholen können. Meine Noten sind jedoch einwandfrei und daher habe ich mir Vorzüge erarbeitet. Das heißt zum Beispiel mehr Zeit oder dass ich in Ruhe gelassen werde, während des Unterrichts, wenn ich ihnen vorher mitteile das ich Migräne habe.
Freunde habe ich in der Zeit meiner Migräne oft verloren, da ich oft Treffen absagen musste. Mittlerweile bin ich froh, dass sie gegangen sind. Ich habe mittlerweile ausschließlich Freunde, die meine Migräne akzeptieren. Wenn ich Migräne bekomme, versuchen sie alles um es mir angenehmer zu machen (Heizung abstellen, etwas zu Essen geben, Medikamente bringen, Kühlpacks bringen oder ähnliches).
Beziehungen habe ich mittlerweile aufgegeben. Auch wenn ich im Vorhinein sage, welches Ausmaß die Migräne hat, scheinen sie das erst in der Beziehung richtig zu registrieren und dann wird es immer schwierig.

Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?

Ich habe echt viel Hobbies, die ich mal mehr oder weniger verfolge. Zeit mit meinem Hund verbringen steht sehr weit oben. Ich habe einen Bordercolie, der ziemlich sensibel auf meine Erkrankung reagiert. Er legt sich zu mir und passt auf mich auf, wenn es mir schlecht geht. Wenn es mir gut geht hilft es mir mit ihm zu schmusen, zu spielen oder spazieren zu gehen. Ich lese und zeichne/male außerdem gerne. Dies ist mittlerweile ziemlich in den Hintergrund getreten, da ich durch die Konzentrationsschwierigkeiten nicht mehr in der Lage dazu bin. Zusätzlich kommen noch die Schulsachen hinzu, die ich nachholen muss, da bleibt nicht viel Zeit für Hobbies.
Wenn es mir möglich ist verbringe ich viel Zeit mit Freunden, um meine Freundschaften zu pflegen oder mal aus dem Haus zu kommen.
Ich habe vor kurzem das häkeln für mich entdeckt, was ich sogar bei schlechter Konzentration super schaffe.

Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?

Akut:
Magnesium, Kühlpacks auf dem Kopf, entweder ein Wärmekissen oder ein Kühlpack auf dem Nacken (je nachdem was sich besser anfühlt), Medikamente (Bsp. Triptane) und frische Luft (keine Bewegung).

Was habe ich ausprobiert?
– Betablocker (ich hatte zusätzlich Herzrhythmusstörungen und da ich die Medikamente nicht vertragen habe, musste ich operiert werden)
– CBD (wirkte nur einen Monat
– Botox (wirkte ca. ein Jahr lang sehr gut)
– ein Medikament gegen Epilepsie (was schwere Nebenwirkungen verursacht hatte)
– ein weiteres Medikament, dessen Name mir entfallen ist (auch da waren die Nebenwirkungen zu stark)
– Sport
– neue Brillengläser
– Antikörper (wirken momentan nicht so gut wie am Anfang)
– Ernährungsumstellung
– Physiotherapien
– unzählige Arztbesuche (z.B. Orthopäde, Endokrinologe usw.)

(Antidepressive habe ich mich geweigert zu nehmen)

Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?

Ich habe mittlerweile gelernt, dass es nicht nur Medikamente sind oder ähnliches, dass uns hilft. Man muss auch anfangen am eigenen Verhalten zu arbeiten. Daher finde ich eine Verhaltenstherapie sehr sinnvoll. Ich habe dadurch gelernt mit Stressfaktoren oder Triggern (PTBS) besser umgehen zu können.

2 Kommentare zu „„Freunde habe ich in der Zeit meiner Migräne oft verloren, da ich oft Treffen absagen musste. Mittlerweile bin ich froh, dass sie gegangen sind.“ – Interview mit Melissa – Muräne-Stories No.21

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