„Menschen mit Migräne haben für mich Superkräfte.“- Interview mit Bianca Leppert – Muräne-Stories No.28

Bianca Leppert, Autorin vom Buch „Ich hab Migräne und was ist deine Superkraft?“ erzählt hier ihre persönliche Migräne-Story, über das Zusammenleben mit „Erna“. Ihr Buch [unbezahlte Werbung] habe ich schon mal rezensiert, den vollständigen Artikel dazu könnt ihr hier lesen.

Wer bist Du und was machst Du (beruflich)?

Ich bin Bianca, 36, Autorin des Buchs und gleichnamigen Podcasts “Ich hab’ Migräne – Und was ist deine Superkraft?” (Komplett Media). Ich habe meinen Traumjob und arbeite als freiberufliche Journalistin & Texterin in den Bereichen Lifestyle, Gesundheit und Motorsport (Formel 1 und Co.). [Instagram: @migrane_superhelden]

Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?

Ich habe episodische Migräne seit der Pubertät. Mal mehr, mal weniger. Meine Mutter wusste gleich, was los ist, da sie selbst Migräne hatte. Während meiner Jugend konnte ich “Erna“, wie ich meine Migräne getauft habe, noch mit viel Schlaf in den Griff bekommen. Heute helfen leider nur noch Medikamente. Dafür weiß ich bei den ein bis drei Attacken im Monat, wie ich die Medikamente richtig einsetze und komme daher meistens ganz gut klar – auch weil ich mir meine Zeit einteilen kann und viele Puffer einbaue. Allerdings ist Erna bei mir eher Marathon-Läuferin, was eine Attackendauer von bis zu drei Tagen bedeuten kann.

Meistens beginnen die Schmerzen im Nacken, ich werde furchtbar müde, muss ständig gähnen und weiß dann, dass Erna sich anschleicht. Früher hatte ich noch öfter eine Aura, unter anderem Phänomene wie die halbseitige Taubheit meiner Zunge. Heute kommt das seltener vor. Während der Attacke ist mir extrem übel, manchmal übergebe ich mich, der Kopf hämmert einseitig, meine gesamte Gesichtshälfte ist verkrampft und ich bin schlapp. In meinem Buch beschreibe ich es so: Sie fühlt sich an, wie wenn man Magen-Darm-Grippe, einen grippalen Infekt und extrem starke Kopfschmerzen auf einmal hat.

Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?

Ich lebe ganz gut mit Erna. Seit ich sie akzeptiert habe und als ständigen Begleiter sehe. Akzeptieren bedeutet für mich nicht aufgeben, sondern annehmen. Seitdem kann ich mich ganz gut mit Erna arrangieren. Aber auch, weil ich durch die Begleitung eines tollen Neurologen die richtige Medikation für mich gefunden habe und daher nicht mehr so riesige Angst vor der nächsten Attacke habe. Früher mein größter Fehler: Ich habe oft ewig gewartet, überhaupt etwas zu nehmen, weil ich es so schaffen wollte oder Angst davor hatte, zu viele Medikamente zu nehmen. Im Nachhinein habe ich mit dieser Taktik aber mehr Schmerzen gehabt und mehr Medikamente genommen. Grundsätzlich halte ich mich aber immer an die 10/20 Regel.

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?

Früher stieß ich oft auf Unverständnis. Eine Freundin hat mich einmal richtig blöd angemacht, weil ich bei einer Party nichts getrunken habe und früh nach Hause gegangen bin – um Erna nicht zu provozieren. Das hat weh getan. Aber auch Sprüche wie “Dann nimm halt eine Tablette” oder das Gefühl man halte mich für eine Simulantin, die eine Ausrede sucht, kenne ich nur zu gut. Ich glaube, die Ursache liegt vor allem darin, dass es so wenig Aufklärung zu Migräne gibt. Deshalb wollte ich unbedingt das Buch schreiben – und zwar so, dass es humorvoll und leicht zu lesen ist, aber trotzdem seriöse und wissenschaftliche Fakten enthält. Seitdem macht es mir auch mehr Spaß, anderen Menschen Migräne zu erklären.

Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?

In meiner Freizeit beeinflusst mich die Migräne, weil ich auf vieles verzichte, damit sie gar nicht erst auftritt. Ich achte auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus auch am Wochenende, lasse keine Mahlzeiten aus und packe meine Tage nicht von früh bis spät mit Terminen voll. Wenn es mich doch erwischt, ist das an Tagen mit Ereignissen, auf die man sich besonders gefreut hat, oft sehr traurig. Im Beruf beeinflusst mich Erna stärker, da ich mich im Zweifelsfall bei Reisen nicht immer zurückziehen kann. Einmal hatte ich auf dem Rückweg von einem Rennen in den USA im Flugzeug Migräne. Es war eine der schlimmsten Attacken, weil die Medikamente nicht gewirkt haben.

Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?

Mir hat eine Verhaltenstherapie speziell zu Migräne viel gebracht. Dabei ging es nicht darum, mir Sorgen von der Seele zu sprechen, sondern Migräne zu verstehen. Das hat mir die Augen geöffnet und ein Gefühl von etwas mehr Kontrolle gegeben. Ich war Erna nicht mehr komplett ausgeliefert. Seitdem kann ich auch besser mit ihr umgehen, weil ich mein Leben in einigen Bereichen angepasst habe. Wie zum Beispiel die Regelmäßigkeit in vielen Bereichen im Alltag oder Entspannungsübungen und neuerdings lange Spaziergänge. Auch mein Neurologe, der auf Migräne spezialisiert ist, war eine große Hilfe. Davor habe ich wie viele Betroffene eine Ärzte-Odysee mit Orthopäde, Heilpraktiker und Co. hinter mich gebracht. Das hätte ich mir sparen können, wenn ich gewusst hätte, dass es eine neurologische Erkrankung ist.
Bei akuten Anfällen hilft mir ein lang wirksames Triptan in Kombination mit einem Schmerzmedikament, da sich meine Attacken eben eher ausdauernd zeigen. Hier sollte sich aber jeder von einem Arzt/einer Ärztin beraten lassen. Denn Migräne ist so individuell und vielfältig und jeder hat andere Vorerkrankungen. Daneben haben bei mir manchmal Ingwer-Tropfen aus der Apotheke bei den ersten Anzeichen ein bisschen Wirkung gezeigt und sie tun mir auch bei Übelkeit ganz gut. Ich schirme mich nach Möglichkeit ab, lege mich ins Bett und klinke mich aus – schalte also Smartphone, TV und Laptop aus. Etwas paradox: Im Nacken hilft mir oft Wärme, im Gesicht eher ein Eispack.

Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?

Werdet zu eurem eigenen Experten! Die Basis für meinen besseren Umgang mit Migräne war, sie zu verstehen. Dabei helfen mittlerweile zahlreiche Bücher, Podcasts, Neurologen, Selbsthilfe-Gruppen, Vereine wie die MigräneLiga und Co. Wer versteht, wie Migräne funktioniert und dass es eine Reizverarbeitungsstörung des Gehirns ist, kann sich entsprechend darauf einstellen. Dabei allerdings nicht verrückt machen, denn das ist auch nicht förderlich und kann Migräne triggern. Ich mag das Motto: „Es ist, wie es ist, aber es wird, was du daraus machst.” Deshalb war mir auch der vierte Teil in meinem Buch so wichtig. Dabei geht es darum, wie man mit Migräne im Alltag leben kann und wie man sich dabei mit den ein oder anderen Tricks selbst hilft und seine Superkräfte stärkt. Denn Menschen mit Migräne haben für mich Superkräfte. Einerseits weil sie mehr wahrnehmen, andererseits weil sie so viele Attacken meistern.

Etwas anderes, dass Du noch erzählen möchtest? 

Ich freue mich, dass es immer mehr Aufklärung zu Migräne gibt. Wie diesen Blog hier, viele Instagram-Accounts und Co. Wenn wir so weitermachen, wissen vielleicht bald viel mehr Menschen, dass Migräne eine neurologische Erkrankung ist und keine faule Ausrede.

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