„Ich akzeptiere meine Migräne, aber ich lasse mich von ihr nicht regieren.“- Interview mit Michéle – Muräne-Stories No.29

Michele ist Mutter eines vier Jährigen Sohns. Sie hat seit ihrer Kindheit Migräne ohne Aura und musste schon viel erleben. Hier kommt ihre Geschichte!

Hallo! Wer bist Du und was machst Du (beruflich)?

Ich bin Michèle, bin 26 Jahre alt und seit vier Jahren Mama. Ich habe bereits einige berufliche Richtungen eingeschlagen, aber keinen zu Ende geführt, da ich mich zu sehr durch meine Krankheit und Ängste hab leiten lassen. (Journalistik und Medienmanagement angefangen zu studieren, Arbeiten bei Pizza Max in der Küche, Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte begonnen). Nun bin ich in der Ausbildung zur Ergotherapeutin, doch aktuell pausiert aufgrund zu vieler Fehltage. Im Mai gehts bei mir aber weiter. Endlich. 🙂 [Instagram: @mimininchen]

Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?

Erstmalig diagnostiziert wurde die Migräne bei mir im Alter von fünf Jahren. Ich lag ständig auf dem Sofa oder im Bett mit starken Kopfschmerzen und Erbrechen. Auffallend war, dass es immer Tage waren, an denen viel Trubel war: Großfamilie zu Besuch im stickigen Wohn- und Essraum, laut, durcheinander.

Meine Eltern gingen mit mir zur Kinderärztin, die die Diagnose aber nur so dahinsagte. Richtig in Behandlung bin ich erst seit meinem 12. Lebensjahr, eingestellt durch einen Neurologen.

Ich habe eine Migräne ohne Aura. Ich spüre vorher kaum Anzeichen, meist haut es mich direkt um, sodass Schmerzmittel dann nicht mehr helfen und ich sofort einen ruhigen Raum, isoliert von allem benötige. Es geht dann bis hin zum Erbrechen, manchmal nur wenige Stunden, oft aber auch an die drei bis vier Tage lang. Gefolgt von Tagen an denen ich mich fühle, wie verkatert.

Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?

Seit circa einem Jahr bekomme ich nun die sogenannten Migränespritzen. Erst bekam ich Aimovig in der schwächeren Dosierung, dann nach 6 Monaten in der stärkeren Variante. Nach weiteren drei Monaten, in der keine Besserung eintrat nun die Ajovy-Spritze. Bisher ist kaum Besserung eingetreten.

Ich lerne täglich dazu, wie ich besser mit meiner Migräne umgehen kann. Dabei helfen mir vor allem Aufklärungsprofile, wie dieses (Instagram: @migraenemuraeneblog) hier. Aber auch das Buch “Ich hab Migräne – was ist deine Superkraft” hat mir sehr geholfen, mehr zu verstehen über meinen Kopf und der darin wohnenden Erna. 😉 Ich achte nun mehr auf mich und gönne mir Pausen. Auch hat es geholfen, dass ich nun viel mehr mit dem Thema Selbstfürsorge beschäftige.

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?

Meine Eltern haben mich verstanden und mir Auszeiten gegeben, in meiner Schullaufbahn traf ich leider auf wenig bis kein Verständnis und das zeigt sich auch heute noch so. Meine Lehrer waren der Meinung ich würde nur so tun, um im Unterricht nicht mitwirken zu müssen oder schwänzen zu können. In meiner Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten traf ich leider auch nicht immer auf Verständnis. Ich versuchte 2014 einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, um die Fehlzeiten nicht angerechnet zu bekommen, allerdings habe ich bis heute keine weitere Info bekommen und habe es aufgegeben.

Ganz aktuell erfahre ich Verständnis und Unterstützung durch meinen Mann und Sohn, letzterer hat selbst Migräne. Er ist 4 und klagt bereits seit seinem 2. Geburtstag über starke Kopfschmerzen.

Meine Schwiegermutter redet immer nur davon, dass das ja unnormal ist und sie das ja auch verstehen kann, aber sie nur einmal ganz stark Migräne hatte und ihr eine Tablette aus der Apotheke geholfen hat. Oftmals schüttelt sie aber nur den Kopf und sagt etwas wie:  “Ja dann musst du eben die Zähne zusammenbeißen, den Tag durchziehen und dich dann zu Hause ausruhen.”

In meiner Klasse habe ich einen Vortrag im Fach Neurologie gehalten und konnte eine gute Aufklärungsarbeit leisten. Meine Lehrerin, sowie Mitschüler waren sehr interessiert und wussten vieles nicht.

Da merkt man mal, wie wenig sich damit beschäftigt wird.

Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?

Ich bin ja aktuell zu Hause und merke, wenn ich mich zu wenig bewege oder falsch bewege, dass ich einen kurzen Schmerz im Kopf habe. Meist denke ich mir nichts dabei und zack kommt die Migräne. Ich hab nach all den Jahren scheinbar immer noch nicht genug über mich gelernt.

Ich betreibe nun seit einigen Wochen mindestens 4x die Woche Sport zu Hause und eine Mischung aus Yoga, Meditation und Atementspannung und das hilft mir. Wenn es doch mal wieder zu einer stärkeren Attacke kommt, dann helfen mir meine Männer und umsorgen mich. Dieses fallen lassen können, hilft ungemein, die Dauer der Migräne zu verkürzen.

Eingeschränkt fühle ich mich auch ab und zu: immer dann ,wenn etwas wochenlang geplant ist – zack winkt Erna und ruft mir lauthals zu: “Lang nicht mehr gesehen, jetzt geht die Party ab!”.

Vor allem ätzend, wenn es mich auf einer Zugfahrt trifft. Ich fahre nicht oft weg dadurch. Ich fahre mit meinem Sohn einmal im Jahr 6 h mit dem Zug zu meiner Schwester, genau dann hab ich Migräne. Ätzend.

Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?

Im Umgang helfen mir, wie oben bereits genannt, Aufklärungsseiten, Videos, Bücher und andere Betroffene.

Im akuten Anfall hilft mir Ruhe in einem dunklen, geräuschlosen Raum. Einmummeln in meinem Bett, Wärme auf den Bauch und Kühlkissen in den Nacken. Frische Luft ist wichtig, aber leider geht das nicht oft, da unser Schlafzimmer zur Straße raus geht.

Schmerzmittel, Migränemittel, Aromen, alles Erdenkliche durch: es hilft nur Bettruhe und mich dahinvegetieren lassen.

Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?

Du bist nicht allein. Du bist wundervoll. Du bist du und deine Migräne ist ein Teil von dir, aber lass dich nicht darauf reduzieren. Ich akzeptiere meine Migräne, aber ich lasse mich von ihr nicht regieren. Vielleicht hilft dir das auch.

Suche dir Menschen, die Verständnis haben, tausche dich aus, aber gib dich nicht auf. Auch für dich wird es eine Lösung geben. Jeder Tag gibt dir die Chance im Umgang mit der Migräne dazuzulernen. Geh zu einem Neurologen. Mir hat es geholfen, dass meiner auch Psychotherapeut ist. Und leg dir ein dickes Fell zu. Es wird immer Leute geben, die meinen, Migräne ist nichts.

Hilf gerne mit, mit deiner Geschichte Aufklärung zu leisten. Nur so können wir ein Umdenken in den Köpfen anderer erreichen.

Etwas anderes, dass Du noch erzählen möchtest?

Mir hat die Schwangerschaft zur Besserung verholfen. Das war so eine erholsame Phase. Ich hab es geliebt. Ich hatte nämlich unglaubliche Angst, dass ich da auch so heftige Anfälle habe und dann keine Medikamente nehmen kann. Ich wurde wirklich gesegnet. Und diese gute Zeit behalte ich einfach noch stärker in Erinnerung als so schon.

Vielen Dank für deine Zeit, Michéle!

Wenn Du auch Teil von diesem Blog werden und deine Geschichte erzählen möchtest, dann schreib mir gerne eine Nachricht!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: