„Oft bin ich arbeiten gegangen, trotz heftigster Schmerzen und bin dann nach Hause geschickt worden.“ – Interview mit Marion – Muräne-Stories No. 32

Ich heiße Marion, lebe in einer Kleinstadt nahe der Großstadt Leipzig. Ich bin 50 Jahre alt und die Migräne begleitet mich in unterschiedlichen Formen seit meinem 14. Lebensjahr. Zuerst im Teeniealter war es die hormonelle Migräne, sprich vor oder während der Regel. Zum damaligen Zeitpunkt hat man das so hingenommen und hat auch den Begriff Migräne nicht verwendet. Zum Arzt deswegen bin ich auch nicht gegangen. Sicher auch dem geschuldet, dass Mutter und Vater Migräne hatten und ich von Ihnen keine Aufklärung, aber eben eine Entschuldigung für die Schule bekam, denn ich musste immer ein oder zwei Tage im Monat dann im Bett verbringen. Ich konnte mich partout nicht auf den Beinen halten. [Instagram: bechterewwhisper]

Im weiteren Berufsleben hat sich durch Stress, aber auch durch die Geburt meines ersten Sohnes, die Migräne verändert. Oft bin ich arbeiten gegangen trotz heftigster Schmerzen und bin dann nach Hause geschickt worden. Entweder weil ich umgefallen bin oder ich gar nicht mehr am Computer arbeiten konnte und der Schmerz einfach unterträglich war. Ich habe zu dieser Zeit im öffentlichen Dienst gearbeitet und benötigte nicht immer eine Krankschreibung für einen Tag. 

Ich bin zu dieser Zeit gelegentlich mal zum Hausarzt gegangen. Ernst genommen hat man mich nicht. Es gab schon das erste Triptan Formigran, doch verschrieben wurde mir dieses nie. Ganz im Gegenteil, es wurde mir noch ein schlechtes Gewissen eingeredet. Ich soll mich nicht so anstellen, denn die Frau meines Hausarztes steht im OP mit Migräne. Also werde ich wohl meinen Alltag und Job auch bewältigen können, ohne Medikamente und Krankschreibung.

Ich glaube schon, dass die Migräne bei mir absolut durch Stressfaktoren ausgelöst wird. 

Denn heute, ohne die beruflichen Anforderungen und ohne dem Zwang Haushalt, Job und Kind allein zu bewältigen, habe ich deutlich weniger Anfälle.

Mein großer Lebenseinschnitt und Umbruch  begann vor ca. 5 Jahren. Schleichend über die Jahre, wurden aus 2 Migräneanfällen und einigen Spannungskopfschmerzen immer mehr Migräneanfälle. Vor 5 Jahren dann war ich bei 15-20 Anfällen pro Monat. Ich habe solch schlimme Anfälle mit und ohne Prophylaxe erlebt, dass ich an diesen Tagen froh war, dass ich noch schmerzfrei atmen kann. Damals wurde mir diagnostiziert vom Neurologen und der Migräneklinik Königstein, dass es sich um unterschiedliche Migränearten handelt: klassische Migräne mit und ohne Aura und die vestibuläre Migräne auch Schwindelmigräne genannt. 

Ich möchte kurz zur Migräneklinik ein paar Worte verlieren: Damals war es noch so, dass hier eine Mayer-Kur durchgeführt wurde, zur Entgiftung. Heisst man hat sich 14 Tage ausschließlich zum Frühstück und Abendessen von einer Tasse Milch und einem trockenen Brötchen ernährt und zum Mittag irgendwelche Wassersüppchen oder Brühe. Natürlich hat der Körper mit massivsten Schmerzen reagiert und man lag dann auf der Krankenstation und bekam Elektrolyte. Ansonsten wurde der Aufenthalt mit etwas Sport und Vorträgen aufgewertet. Aber ehrlich es war eine Qual. Trotz allem bin ich entlassen worden nach 4 Wochen Aufenthalt mit einer Prophylaxe aus Pestwurz täglich und benötigte tatsächlich 2 Jahre lang keinerlei Tabletten wie Ibu oder ähnliches. Aber auch keine Triptane.

Gottseidank hat sich aber auf diesem Gebiet der Medizin viel getan.

Vor 3 Jahren war ich auch in der Schmerzklinik Kiel. Und ich profitiere noch heute von diesem Aufenthalt. Nicht nur dass man sich Wissen aneignen konnte auch der ausführliche Diagnosebericht ist Goldwert, denn heimische Neurologen nutzen diesen gern um weiterzuhelfen.

Heute habe ich wieder nach etlichen Prophylaxeversuchen keine Prophylaxe mehr. Zuletzt hatte mir Topiramat sehr gute Dienste geleistet. Das habe ich 1 Jahr durchgenommen, aber ich musste dies absetzen, da ich Händezittern, Geschmacksirritationen und Sehvermögenveränderung bekommen habe. Ganz zu schweigen von der charakterlichen Veränderung, ich war nur noch am meckern und schimpfen. 

Der Aufenthalt in Kiel lief zeitgleich mit meinem Antrag auf Erwerbsminderungsrente, denn zu diesem Zeitpunkt war ich bereits zu lang krankgeschrieben und ich konnte keinem Arbeitgeber zumuten für 5 Tage unzuverlässig meiner Arbeit nachzugehen. Ich war in Reha (psychosomatisch) die null Ahnung von Migräne hatten aber sie haben meine Anfälle wenigstens live mitbekommen und mir so eine Arbeitsfähigkeit unter 3 Stunden täglich diagnostiziert. Und somit bin ich in Erwerbsminderungsrente.

Natürlich musst ich kämpfen dafür. Mich ständig erklären, auch meiner Familie gegenüber. Weder Lebensgefährten noch Freunde können oder konnten verstehen, warum ich so unzuverlässig war oder warum ich einfach verschwinde von irgendwelchen Feiern. Geheuchelte Anteilnahme ja, aber echtes Interesse oder gar das mir Jemand mal Hilfe angeboten hätte, weil ich während eines 72 Stunden Anfalles schlecht einkaufen gehen kann, habe ich nie erfahren. Ja, das macht verbittert und einsam. Dem ist so.

Aber ich bin sehr froh, dass ich wie immer in meinem Leben völlig allein und selbständig wieder die Kurve bekommen habe. 
Heute steht meine Autoimunerkrankung Spondylitis Ankylosans sprich Morbus Bechterew im Vordergrund. Ich betreibe ein Profil auf Facebook (bechterewwhisper) zur Aufklärung über diese entzündlich rheumatische Erkrankung und ich versuche dabei eine Community aufzubauen, damit Menschen mit der gleichen Krankheit in Kontakt kommen und sich unkompliziert austauschen können. Mein größter Wunsch ist ein Aufklärungsbuch über Bechterew zu schreiben.

Die Migräne ist in den Hintergrund gerückt. Klar hab ich noch den ein oder anderen Anfall. Doch die Medikamente gegen die entzündliche rheumatische Erkrankung scheinen auch Wirkung zu zeigen in Bezug auf die Migräne.  Behandelt wird meinerseits ausschließlich mit Rizatriptan. Sollte dieses nicht helfen bleibt mir nur mich ins Bett zu legen und zu versuchen den Anfall auszuhalten und zu verschlafen. Alle anderen Schmerzmittel führen zu starkem Erbrechen. Essen und Trinken ist während des Anfalles tatsächlich auch überhaupt nicht möglich. Ein paar mal hat mir auch Botox geholfen aber leider nicht langfristig. Ansonsten habe ich außer die Antikörperspritzen alle Prophylaxen für die Migräne erfolglos ausprobiert.

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