Wer bist Du und was machst Du (beruflich)?
Ich bin Lizzi. Ich bin ein reifer und zugleich zeitloser 88er Jahrgang aus der Region Stuttgart, mit viel Energie, Herz und Lebensfreude. Ich habe Germanistik und Philosophie in Heidelberg studiert und arbeite als Online-Redakteurin. Ich liebe bloggen, wandern, Yoga, reisen und viel action. Ach und ich bin fast blind. [Instagram: @lizziswelt]
Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?
Angefangen hat das Ganze bereits während meiner späten Schulzeit und ich „erfreue“ mich eines breiten Spektrums verschiedener Migräneformen. Ich bekomme sowohl die klassische Form mit Aura, Übelkeit, Taubheitsgefühlen, Sprachstörungen und stechenden Kopfschmerzen als auch diverse atypische Formen, die sich auf Augenflimmern sowie taube Hände und Lippen beschränken.
Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?
Aktuell habe ich mich von einer längeren Migränewelle erholt, nach fast zweieinhalbjähriger Pause. Das war ein eindeutiges Signal meines Körpers, dass ein Ungleichgewicht herrscht. Meine Trigger sind Stress und Überanstrengung meiner Augen in Kombination mit hellem Licht. Nun gilt es, wieder die eigene Balance zu finden und es nicht mehr soweit kommen zu lassen. Ich werde in mich hineinhören und meinem Feingefühl vertrauen, Stress reduzieren und meine Augen entlasten.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?
Jeder, der schon einmal echte Migräne hatte, reagiert mit Verständnis darauf. Auch jene, die das zum Glück noch nicht erdulden mussten, zeigen viel Mitgefühl – wahrscheinlich auch deswegen, weil sie gut nachvollziehen können, dass meine schlechten Augen (ich gelte als gesetzlich blind) ständig Höchstleistungen bringen müssen und andauernd überanstrengt sind. So hat die Migräne leichtes Spiel mit mir, wenn wir sie einmal personifizieren möchten.
Ab und an gerät man natürlich auch mal an jemanden, der denkt, Migräne und Kopfschmerzen seien dasselbe und die einem das Gefühl geben, man solle sich nicht so anstellen.
Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung?
Meine Freizeit gestalte ich mit Wandern, Yoga, Bloggen und viel schöner Zeit mit meinem Blindenführhund im Grünen. Während meine Outdoorhobbys sich sehr positiv auf meine Migräne auswirken, muss ich beim Bloggen und anderen Bildschirmarbeiten aufpassen, dass meine Augen nicht zu überlastet sind. Pausen und Abwechslung sind unglaublich wichtig dabei.
Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?
Sobald ich ein Flimmern vor den Augen wahrnehme und meine linken Fingerspitzen kribbeln, nehme ich eine Tablette, die den Magen beruhigt und ein Sumatriptan hinterher. Dann reicht die Zeit genau, um den Rollladen herunterzulassen und es sich auf dem Sofa bequem zu machen. Den Anfall fühle ich, aber der Schmerz bleibt aus. Wenn ich merke, dass es eine atypische Migräne ist, ertrage ich sie ohne medizinische Unterstützung, versuche aber, mich in sichere Umgebung zu begeben. Wenn ich also gerade unterwegs bin, suche ich mir eine Bank oder trete die Heimfahrt an.
Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?
Lasst euch eure migränebedingten Schwierigkeiten nicht kleinreden, akzeptiert sie als Zeichen eures Körpers, dass ein Ungleichgewicht besteht und seid gut zu euch. Das mag kein Patentrezept für Besserung sein, aber mir hat es unsagbar geholfen. Ich habe mir gegenüber, eine hohe Sensibilität entwickelt und spüre schnell, wenn ich an gewisse Grenzen komme, wenn es Zeit wird, es ruhiger angehen zu lassen, sich rauszunehmen und Stress abzubauen. Das muss nicht immer im Job sein, Stress findet viele Zugänge in unser Leben, wo immer wir nicht ausgeglichen sind. Mir helfen unter anderem Yoga, Meditation und gezielte Wellnesstage einfach für mich zu Hause oder frische Luft in der Natur ohne Zeitdruck, ohne Erwartungen, ohne Hektik.
Etwas anderes, dass Du noch erzählen möchtest?
Eine meiner frühesten Migräneanfälle hatte ich während des Deutsch-Abis. Ich kam in die Schule voller Vorfreude (ja, wirklich!), weil ich darauf brannte, all mein Wissen in die Tasten meines Laptops fließen zu lassen. Deutsch war schon immer mein Lieblingsfach. Ich traf eine Mitschülerin und sie fragte, wie es mir ging. Die Antwort, die ich im Kopf hatte, kam ganz merkwürdig über meine kalten, tauben Lippen. Ich vermied es, zu sprechen und schob es auf die Nervosität. Ich nahm meinen Platz weit abseits aller anderen ein, da ich als Ausgleich wegen meiner Sehbehinderung länger schreiben durfte als der Rest und packte meinen Laptop, Lupenbrille und weiteres Equipment aus. Vor meinen Augen flimmerte es heftig. Als dann das Aufgabenblatt vor mir lag, konnte ich nichts darauf sehen, weil die Aura zu stark wurde und der Beginn eines Stechens sich in meine Schläfe bohrte. Wie durch ein Wunder hatte ich mir Ibus eingepackt und ballerte mir eine wahrscheinlich etwas zu großzügig bemessene Menge rein, aß und trank eine Kleinigkeit und wartete auf die Wirkung. Es dauerte sicherlich zwanzig Minuten, bis ich endlich die Aufgabenstellung lesen konnte. Ich wählte eine Aufgabe, atmete tief durch und schrieb. Ich schrieb und schrieb und schrieb mich frei! Am Ende gab ich einen zwölfseitigen Aufsatz ab und erhielt trotz Migräne wenigstens 14 Punkte dafür. Auf diese Leistung bin ich mächtig stolz.