Hier kommt Sabrina Geschichte über das Zusammenleben mit ihrem „Migränekerlchen“.
Wer bist Du und was machst Du?
Hey, ich bin Sabrina, noch 34 und bin als Erzieherin als Leitung der Schulkindbetreuung im Grundschulbereich eingesetzt.
Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?
Mein Migränekerlchen habe ich laut meinen Eltern seit meinem 4ten Lebensjahr . Genetisch bedingt mit Tendenz zur abdominellen Migräne, jedoch noch nicht neurologisch abgeklärt. Das steht derzeit an. Mein Dad und meine Oma leiden beide auch unter Migräne.
Im Kindesalter hatte ich ein pulsierenden Schmerz im Kopf, Bauchweh und musste mich ständig übergeben.
Im Jugendalter flimmerte meine Sicht, Kopfschmerzen setzten ein, der Nacken machte dicht und Übelkeit mit Magen – darm kamen auch noch hinzu. Eine Brille sollte Abhilfe schaffen – nicht. Einige dachten ich sei betrunken, dabei hatte ich ganz spontan eine Attacke. Für andere war es eine schlechte Ausrede. 🙄 Da hab ich dann zum ersten Mal versucht über Migräne nachzuforschen und versucht mit Ärzten zu sprechen. Ging gründlich daneben. Ich wurde nicht ernst genommen und sogar als Simulant und als Schulschwänzer abgetan.
Im Erwachsenensein äußert sich mein Migränekerlchen sehr unterschiedlich. Meist ist die rechte Kopfhälfte betroffen. Das ist für mich tatsächlich das einzig feste Zeichen in einer von vielen Attacken.
Manchmal setzt ein leises schleichendes kaum wahrnehmbares Stechen ein, das auch zu einem ekligen und nervtötenden Pulsieren bzw. Pochen werden kann. Das ist dann mit Blässe (graustich) , flirrendem Sichtfeld, ständigem gähnen und heiß und kalt, Übelkeit, Erbrechen, Magen – Darm sehr eng verbunden und knockt mich regelrecht aus.
Schön sind aber auch die Attacken aus dem Nichts die alle Begleiterscheinungen oder eine spezifische Auswahl mit sich bringen. Erschöpfung , Abgeschlagenheit begleiten mich Tage danach noch.
Spaßig ist es auch, wenn erst die Übelkeit da ist und dann zack ein starkes bis mir platzt gleich der Schädel heftiges Pochen einsetzt . Und dann kam Corona und alles änderte sich und mit dem Virus auch mein Migränekerlchen.
Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?
Wie es mir heute geht, puhh…
Mein Migränekerlchen und ich lernen uns seit knapp einem Jahr neu kennen. Was ehrlich gesagt verdammt anstrengend ist. Ich konnte meine Attacke früher immer irgendwie aufs Wochenende ziehen und kannte 70% der Abläufe, wusste wann ich mich sozial abgrenzen musste. Tja, das ist nun nicht mehr möglich. Im Jetzt scheint es so als wollte meine Migräne mir sagen : Hey, ignorier mich nicht länger, kümmere dich. Und genau da, setz ich nach fast 31 Jahren mit Migräne an. Zum aller ersten Mal gehe ich nun zum Neurologen- ich mag Ärzten nicht so gern von der Migräne erzählen. Hieß es früher doch immer das ist Kopfweh das verwächst sich. Da unterstützt mich meine derzeitige Hausärztin viel besser ☺️
Ich habe seit knapp einem Jahr immer mehr Attacken und immer weniger Zeit dazwischen,😑 das ist etwas beängstigend, anstrengend, nervig und somit kümmere ich mich und lerne wieder von neuem auf mein Migränekerlchen zu hören. Mit Büchern, Social Media und Co baue ich meine Kenntnisse auf und aus. Ich akzeptiere das Migränekerlchen und versuche mehr auf die Bedürfnisse zu hören. zu lernen diesen Umstand und die schwäche zuzulassen und nicht nur zu funktionieren, gehört 2021 ebenfalls dazu. Bisher habe ich eher dagegen angekämpft und ehrlich gesagt auf ein Verpuffen gehofft 😂
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?
Die Familie unterstützt mich, da mein Dad vereinzelt Attacken hat und meine Oma dies häufiger hatte, mein Partner steht mir glücklicherweise auch zur Seite seitdem er die erste Attacke mitbekommen hat. Im Freundes-sowie Arbeitskreis ist es sehr unterschiedlich. Die einen versuchen sich einzufühlen, die anderen meinen sowas wie Migräne gibt es nicht und meinen wirf ne Tablette ein und gut is. Sie belächeln einen oder tun es als Ausrede ab. Einige wenige versuchen sich bei mir zu informieren und möchten erfahren wie und was Migräne für mich ist.
Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?
In meiner Freizeit lese ich sehr gerne, treff Familie und Freunde, sind Spieleabende oder Mittage dabei, geh ich hin und wieder aus. Aktuell empfinde ich die viele Freizeit durch Covid 19 eher als Last und muss Obacht geben da nicht in zuviel Anstrengung zu rutschen. Das triggert mich nämlich. Aktuell achte ich auf den Schmerzlevel und versuche mich frühzeitig aus sozialen Interaktion raus zu nehmen und auf mein Migränekerlchen zu hören.
Meine Beeinflusser waren und sind sehr unterschiedlich. Stress, Anspannung, Wetterfühligkeit, einige Lebensmittel, Gerüche, Getränke,… Da bin ich noch immer am rausfinden. Definitiv sind aber Kässpätzle ein gemeiner Trigger.
Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?
Im Umgangdamit hilft mir definitiv der Rückhalt von Familie und Partner. Beim Rest probiere ich tatsächlich schon seit Kindesalter aus. Mal hilft Ruhe, Dunkelheit, Dolormin Migräne zum Abschwächen, Mcp für den Magen, KirschKernkissen für den Nacken, akzeptieren und ein lassen hat alles auch schon geholfen, dazu fehlt mir aber aktuell die Kraft.
So richtig hab ich noch keine Lösung für die unterschiedlichen Attacken gefunden und bin wie gesagt gespannt auf meinen Neurologentermin.
Ausprobiert hab ich auch: Kälte in den Nacken und heiß an die Füße und andersrum, hat mir – nicht geholfen. Im Jugendalter hatte ich mal Triptane, das war aber ganz ganz böse für mich. Ibu schlägt viel zu spät an, Aspirin lässt mich direkt Spucken, Novaminsulfan hilft nur kurz und danach kommt es umso heftiger. Nackenmassage und Physiotherapie lockerten zwar bis zur nächsten Attacke halfen aber nicht gegen die Attacken. Yoga, da schlafen mir Körperteile weg. Meditation hab ich noch nicht die richtige gefunden.
Aktuell helfen mir meine bestellten Bücher mehr zum Thema Migräne herauszufinden und dadurch stärke ich auch mich.
Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?
Schämt euch nicht für eure Migräne, das kostet euch nur unnötig Zeit (sprech da aus Erfahrung😁) und Geduld. Lasst euch nicht – wie ich – ausbremsen. Informiert euch früh und über alle Bereiche, helft einander. Wenn es zum Arzthopping kommt versucht es zu akzeptieren und gebt nicht auf! Migräne ist so unberechenbar, dass ein verleugnen uns nur verhindert und im Leben behindert. Lasst euch bitte niemals einreden, Ihr würdet euch not was einbilden. Migräne hat unzählige Gesichter und immer wenn wir denken jetzt hab ich den Dreh raus, pocht sie an und lacht uns aus.
Etwas anderes, dass Du noch erzählen möchtest?
Vielleich, wenn ich mehr in der Thematik verwurzelt bin.