Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Dipl. Grafikdesignerin und arbeite seit 2005 freiberuflich. Ich habe in Moers mein Grafikbüro. [Instagram @mmp_design]
Hat Deine Migräne einen Namen?
Ja, sie heißt „Madame M“, weil (wie ich finde) die Migräne eine absolute Drama-Queen ist. Sie kommt und geht wann sie will und bestimmt das Leben. Dann muss sich alles nach ihr richten und z.B. Termine verschoben/abgesagt werden. Da entsteht manchmal, vor allem beruflich, ein Drama! Eine besondere Planung und Organisation ist gefragt. Und wenn „Madame M“ sich ausgetobt hat, verschwindet sie ohne mitzuteilen, wann sie wieder kommt. Sehr unberechenbar.
Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?
„Madame M“ begleitet mich mittlerweile seit über 35 Jahren. Seit dem Grundschulalter. Ich schätze so ab dem 7/8 Lebensjahr. Als Kind dachte ich, ich hätte Fieber, weil mein Kopf so warm war und ich habe mich im dunklen Zimmer hingelegt. Nach ein paar Stunden war der Schmerz weg. Das waren die Anfänge der Migräne, die ich damals ja noch nicht deuten konnte.
Als Jugendliche hatte ich ca.1x im Monat eine Attacke. Da waren die Schmerzen bereits stärker. Ich habe da bereits von Migräne gehört, aber eine Diagnose hatte ich noch nicht. Es wurde immer gesagt, dass man eh nichts dagegen machen kann und man „durch muss“.
Im Erwachsenen-Alter habe ich die Diagnose erhalten und nehme seit 2006 Triptane bei einem Anfall, dadurch ist der Schmerz wenigstens betäubt. Ich muss allerdings 2×100 nehmen (Sumatriptane), damit eine Wirkung da ist. Meine Migräne-Attacken steigerten sich bis zu 11x im Monat. Auch die Schmerzstärke hat leider zugenommen. An Tagen mit „Madame M“geht gar nichts. Entweder ist der Schmerz da oder man ist betäubt. Ausserdem begleitet mich ein ganz heftiger Schwindel. Mein Sprachzentrum ist ebenfalls gestört (bereits vor der Attacke / als Vorbote). Nacken,- und Augenschmerzen kommen ebenfalls hinzu
Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?
Seit Ende 2019 geht es mir besser, denn ich spritze alle 4 Wochen die Migränespritze von Aimovig mit dem Wirkstoff Erenumab, 140mg. Dadurch haben sich die Attacken auf ca.3x im Monat eingependelt.
Auch wenn es sehr oft schwer gefallen ist – „Madame M“ gehört zu mir und ich muss sie, wohl oder übel, manchmal in mein Leben lassen…
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?
Das ist sehr unterschiedlich. Viele kennen den Unterschied zwischen Migräne und Kopfschmerzen nicht und verstehen die Ausfälle dadurch nicht. Manche denken einfach „Stell´dich nicht so an – es ist ein wenig Kopfschmerz“.
Oder-wenn man die Diagnose jemanden mitteilt, dass direkt (zwar gutgemeinte, aber echt nervige und zum Teil unbrauchbare) Tipps kommen. Am besten solche, die wie Wunder wirken z.B. wenn du das weglässt oder wenn du die Tropfen nimmst, dann ist die Migräne weg! Auch Ärzte haben mich versucht zu überzeugen, dass durch z.B. eine Darmkur die Migräne auf magische Art und Weise verschwindet.
Im Krankenhaus auf der neurologischen Abteilung wurde meine Migräne mit Aspirin (!!!!) behandelt – man stelle sich vor: Ich habe mehrmals betont, dass ich Migräne habe und Aspirin bei Migräne nicht wirkt!
Da kann ich nur müde mit den Augen rollen…..
Zum Glück unterstützen mich aber die Menschen, die mir am wichtigsten sind! Meine Familie und meine Freunde verstehen es zu 100%! Und auch meine Kund:innen haben Verständnis, wenn sich ein Termin mal verschiebt. Sie wissen, dass ich zuverlässig arbeite.
Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?
Freizeitliche Aktivitäten zu planen war/ist oft schwierig. Urlaube, Konzerte usw.- na ja, wenn „Madame M“ dazwischen gefunkt hat, konnte man nicht hin oder lag im Urlaub im dunklen Zimmer. Aber nach der Attacke konnte man wenigstens den Urlaub geniessen.
Viel schwieriger finde ich die Freizeitplanung mit meiner Tochter (9 Jahre). Ich muss sagen, sie hat wirklich sehr viel Verständnis gezeigt als ab und an etwas abgesagt werden musste. Oft „verarztet“ sie mich und bringt mir was zu trinken und einen Kühlakku 😉
Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?
Ausprobiert habe ich einiges. Mein größter Fehler war, dass ich lange keine Diagnose hatte und somit ganz viele Schmerzmittel unkontrolliert eingenommen habe. Durch die Diagnose, die Migränespritze und die Triptane benötige ich kaum weitere Schmerzmittel. Da auch die Attacken weniger sind konnte ich alles sehr stark reduzieren.
Zur Prophylaxe habe ich einiges ausprobiert:
– Ernährungsumstellung
– Medikamente wie: Topiramat, Venlafaxis, Amitriptylin und Valproat
– auch Kräuter, Öle oder CBD-Tropfen
Leider OHNE Erfolg…
Was mir hilft sind die Migränespritze (Prophylaxe) und bei akuten Anfällen Triptane. Ein Kühlakku lindert zusätzlich. Ausserdem nehme ich Migravent mit hochdosiertem Magnesium und Vitamine. In diesem Jahr habe ich zusätzlich mit Vitamin B-Spritzen angefangen, die mir die Hausärztin verabreicht.
Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?
Zunächst ist ganz wichtig, dass man eine vernünftige Diagnose erhält und dann entsprechend die Attacken behandeln kann. Am besten direkt zum Neurologen oder in eine Schmerzklinik. Bei der Prophylaxe hat man leider manchmal eine Odyssee bis man das Richtige für sich findet. Da kann ich jedem zusätzlich zur medikamentösen Prophylaxe hochdosiertes Magnesium und Vitamin B-Spritzen empfehlen.
Wichtig ist, dass man keine Diätversuche startet, unser Migräne-Kopf braucht (leider) Kohlenhydrate! Ob man es toll findet oder nicht, das ist aber Tatsache. Deshalb bitte: keine „Kohlenhydrate-weglass´-Diäten“ (hier spreche ich aus Erfahrung!)!
Natürlich sind Schlaf, regelmässige Ruhephasen, viel Trinken, gesunde Ernährung sowie Bewegung wichtig.
Zusätzlich kann ich jedem Migräniker die Migräne-App (von der Schmerzklinik Kiel) empfehlen. Hier kann man nicht nur seine Attacken eingehen, sondern auch alle Medikamente und hat Kontrolle darüber, dass man nicht in den „MÜK“ kommt. Weitere Features wie progressive Muskelentspannung sowie viele Informationen sind super nützlich.
Je nachdem wie stark die Migräne ist und wie sehr sie das Leben beeinflusst ist es ratsam zu prüfen, ob und welcher Behinderungsgrad einem zusteht!
Es macht mich glücklich zu sehen, dass die Erkrankung immer präsenter wird, denn dadurch können Betroffene erster genommen werden.
Ich möchte allen Betroffenen einfach alles Gute wünschen, viel Kraft und Gesundheit und viel weniger von „Madame M“!