Wer bist Du und was machst Du (beruflich)?
Ich bin Katharina, 34 Jahre alt und komme aus der Nähe von Frankfurt am Main.
Ich arbeite als Produktmanagerin bei einem Reiseveranstalter und habe im Januar 2021 ein nebenberufliches Bachelor-Studium im Bereich Social Media begonnen. Des Weiteren bin ich seit 2020 zertifizierte Personaltrainerin, übe diese Leidenschaft aktuell jedoch nur hobbymäßig aus und verbinde Social Media und Fitness auf meinem Instagram-Account @schelli.__. Ich bin ein sehr aktiver und extrovertierter Mensch, der gerne andere Menschen kennenlernt. Eine positive Lebenseinstellung hilft mir dabei, gut mit meiner Migräne umgehen zu können.
Seit wann hast Du Migräne (und welche Form)? Wie äußert sich deine Migräne?
Meinen ersten Migräneanfall erlitt ich in der Grundschule, damals war ich 10 Jahre alt. Ich kann mich noch ganz genau an diesen Tag erinnern. Es war ein heißer Sommertag und wir machten mit der Klasse einen Ausflug in den Frankfurter Zoo und besuchten anschließend den Hessischen Rundfunk. Im Zoo angekommen bekam ich schreckliche Kopfschmerzen und mir war richtig übel. Ich habe mich durch den Tag geschleppt und konnte mich kaum auf den Beinen halten. Auf der Fahrt nach Hause musste ich mich dann leider im Bus übergeben, was mir total unangenehm war und für einige Jahre eine Angst vor dem Busfahren nach sich zog. Nach diesem einmaligen Erlebnis im Kindesalter kam die Migräne in der Pubertät, ab meinem 13. Lebensjahr, zurück und blieb bis heute. Ich habe Migräne mit und ohne Aura und pro Monat 2-4 Anfälle, bei denen ich den Schmerz nur mit Triptanen in den Griff bekomme. Im Jahr 2018 wurde die Migräne kurzzeitig chronisch und ich litt jeden 2. Tag an ihr, was einen Burnout nach sich zog. Oder vielleicht war der Burnout auch Auslöser für die chronische Migräne, man weiß es nicht so genau…
Ich war insgesamt 3 Monate krankgeschrieben und machte in dieser Zeit eine ambulante Schmerz- und Verhaltenstherapie. Leider bewilligte meine Krankenkasse keinen stationären Aufenthalt in der Migräneklinik in Königsstein, obwohl ich zum damaligen Zeitpunkt durch 3 Fachärzte als ambulant austherapiert galt. Das hieß, dass ich zusätzlich zu meiner Krankheit
noch den Ärger mit der Krankenkasse und diversen Einsprüchen hatte. Aber auch davon habe
ich mich nicht unterkriegen lassen und rückblickend war es vielleicht gar nicht so schlecht in
dieser Zeit den „normalen“ Alltag gehabt zu haben und nicht komplett in einer Klinik
abgeschottet zu sein. Dadurch habe ich noch besser gelernt, was ich im Alltag ändern muss,
um von diesem „Migräne-Trip“ herunterzukommen.
Wie geht es Dir heute und wie hat sich dein Umgang mit der Migräne verändert?
Heute geht es mir, trotz Migräne, sehr gut. Wobei ich dazu sagen muss, dass es mir mental
auch in der schlimmsten Zeit 2018 nie schlecht ging. Ich würde mich selbst als einen sehr
positiven Menschen bezeichnen, der versucht auch aus negativen Dingen etwas Positives zu
ziehen. Die chronische Migräne im Jahr 2018 habe ich als „Learning“ angesehen
dahingehend, dass ich etwas an mir und meinem Verhalten und auch an meiner Einstellung
zu gewissen Dingen ändern muss. Ich sehe Migräne inzwischen als einen Schutzmechanismus
meines Körpers an. Die meisten Migränepatienten verfügen über eine erhöhte
Gehirnaktivität, welche sich oft im Charakter niederschlägt. So fällt es mir z.B. leicht,
organisatorisch viele Dinge gleichzeitig überblicken zu können, ich habe ein hohes
Verantwortungsbewusstsein und Selbstdisziplin. Bei mir muss immer alles 100%-ig sein und
oft lade ich mir einfach zu viel auf. Hinzu kommt, dass das Migränehirn viel mehr Reize
wahrnehmen kann und das führt dann eben zu jenem „Feuer im Kopf“. Ein Neurologe sagte
einmal zu mir: „Sie können Ihr Gehirn mit einem Formel 1-Wagen vergleichen. Großer Motor,
kleiner Tank. Regelmäßige Boxenstopps sind zwingend notwendig, sonst bleibt man mitten
auf der Strecke stehen.“
Heißt: ich habe gelernt, dass es OK ist, wenn mal nicht alles perfekt ist und dass ich auch mal
„Nein“ sagen und mir Auszeiten gönnen muss. Das alles fällt mir bis heute nicht leicht, da ich
generell gerne in Action bin. Ich arbeite jeden Tag daran, gewisse Dinge gelassener
anzugehen und plane täglich feste Pausenzeiten ein. Inzwischen habe ich einen guten Weg
für mich gefunden – Sport ist ein wichtiger Ausgleich für mich, bei dem ich überschüssige
Energie loswerden kann. Yoga, Entspannungs- und Atemübungen dienen dazu, dass ich
meine Gedanken sortiert bekomme und entspannen kann. Regelmäßige Me-Time ist fester
Bestandteil meines Lebens geworden.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?
Mein Umfeld ist sehr verständnisvoll, da ich nie ein Geheimnis aus meiner Erkrankung
gemacht habe. Meine Mutter leidet selbst an Migräne, daher ist die Thematik in meiner
Familie bekannt. Mir begegnen jedoch auch immer mal wieder Menschen, die Migräne als
Kleinigkeit abtun und diese Art von Kopfschmerzen ganz und gar nicht nachvollziehen
können. Das ist okay, solange es nicht ins Lächerliche gezogen wird. Ich kann verstehen, dass
man diese Krankheit ganz schlecht einordnen kann, wenn man selbst noch nie davon
betroffen war oder sogar generell keine Kopfschmerzen kennt.
Was machst Du freizeitlich und wie beeinflusst dich da deine Erkrankung (oder beeinflusst die dich da überhaupt?)?
In meiner Freizeit treibe ich sehr gerne Sport und teste meine Grenzen aus. Egal ob
Krafttraining, Inlineskaten, Tanzen, Hula Hoop, Koordinationstraining, usw.. Ich bin ein
Sportfreak und probiere oft und gerne neue Sportarten aus. Ansonsten bilde ich mich sehr
gerne weiter und lese viel. Meine Migräne beeinträchtigt mich dahingehend zum Glück nur
sehr selten.
Was hilft dir im Umgang damit? Was hilft dir bei akuten Anfällen? Was hast du ausprobiert?
Ich würde behaupten, ich habe so gut wie alles ausprobiert, was in der Migränetherapie aktuell empfohlen wird. Von Cefaly, über Betablocker, Cortison, Biofeedback-Methode, Osteopathie, Physiotherapie bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln… um hier nur einige Beispiele zu nennen. Würde ich alles aufzählen, wäre die Liste sehr lang.
Bei akuten Anfällen helfen mir Triptane, sowie Dunkelheit und Ruhe am besten. Ich greife oftmals auch zu einem Icepack, welchen ich mir auf die schmerzende Stirnhälfte lege und versuche dann zu schlafen.
Früher nahm ich eine Zeitlang Betablocker als Präventionsmedikament, jedoch trat dadurch keine Besserung ein, weshalb ich es wieder absetze. Zudem habe ich generell schon einen eher niedrigen Blutdruck, daher war das Ganze nicht sehr förderlich.
Als die Migräne chronisch war, habe ich im Schmerzzentrum allerhand an Medikamenten verschrieben bekommen, welche ich einnehmen sollte. Ich hatte zwar alle Zuhause, habe sie aber nie eingenommen. Außer einmal Cortison, um eine tagelange Schmerzserie zu unterbrechen.
Warum habe ich eine medikamentöse Behandlung damals abgelehnt?
Ganz ehrlich, mir haben diese 8 Medikamente, welche ich ab sofort regelmäßig nehmen sollte, Angst eingeflößt und ich wollte doch nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern die Ursache finden. Ich wusste, dass ich diese chronische Migräne anders loswerden konnte.
Ich habe dann eine sehr gute Ärztin in Frankfurt gefunden, welche ganzheitlich gearbeitet hat. Bei einer Darmanalyse kam heraus, dass mein Mikrobiom sehr schlecht ist und mein Körper somit gar keine Möglichkeit mehr hatte wichtige Nährstoffe aus der Nahrung korrekt aufzunehmen und zu verwerten. Dies zeigte sich dann auch in den Blutwerten. Über insgesamt 6 Monate haben wir daran gearbeitet, den Darm wieder ins Gleichgewicht zu bringen und dem Körper die Nährstoffe zu liefern, welche ihm schon seit langem fehlten. Mit diesem Therapieansatz, ohne starke Medikamente, und der Verhaltenstherapie habe ich es geschafft, innerhalb von 3 Monaten so fit zu werden, dass ich wieder arbeiten gehen konnte.
Etwas, das Du anderen Betroffenen sagen möchtest?
Ich weiß, wie sehr Migräne schlauchen kann. Sowohl körperlich als auch mental. Oftmals fühlt man sich, als sei man nicht belastbar genug, aber meist ist das Gegenteil der Fall. Unsere Welt wird immer schnelllebiger, leistungsorientierter und täglich prasseln unzählige Reize auf uns ein, welche verarbeitet werden müssen. Nehmt die Migräne als das an, was sie ist: ein Signal eures Körpers, dass er gehört werden möchte und eine Pause benötigt. Anstatt sich bei dem nächsten Migräneanfall darüber zu ärgern, dass man schon wieder einen hat, sollte man ihn zulassen, sich aus dem Alltag rausnehmen und auch die darauffolgenden Tage einfach etwas langsamer angehen lassen. Nehmt euch den Druck raus täglich Höchstleistungen vollbringen zu müssen. Mir persönlich hat es geholfen, eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln, die ich so vor der chronischen Migränephase nicht hatte. Es gibt Tage, da fällt mir dies leicht und an anderen Tagen falle ich wieder in alte Muster zurück. Aber auch das ist okay, so lange ich weiß, wie ich mich wieder in Balance bringen kann.
Migräne ist ein sehr individuelles Krankheitsbild und es gibt zahlreiche verschiedene Trigger, weshalb man vieles ausprobieren und beobachten muss, um für sich die geeignete Therapie zu finden. Einen pauschalen Tipp, der für alle Migräniker gilt, gibt es nicht. Ich bin jedoch fest
davon überzeugt, dass es sich für jeden Betroffenen lohnt, Ursachenforschung zu betreiben. Auch, wenn dieser Prozess kräftezehrend und langwierig sein kann. Doch das Wissen über eure individuellen Auslöser verhilft euch dabei mit der Krankheit leben zu lernen.
Heute weiß ich, dass meine Migräne sowohl mit hormonellen Schwankungen als auch mit Stress zusammenhängt. Stress, den ich mir oft selbst mache, ob bewusst oder unbewusst. Dieser war vermutlich auch der Hauptauslöser dafür, dass sich mein Mikrobiom so stark negativ verändert hatte. Ich habe akzeptiert, dass ich die Migräne wohl nie ganz loswerde, weil ich einfach ein „Migränehirn“ habe. Ich habe gelernt, mir mehr Aufmerksamkeit zu schenken und besser auf mich Acht zu geben. Eine überwiegend gesunde und ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, bewusste Pausen sowie Achtsamkeit und ein positives Mindset sind mein persönlicher Weg, um gut mit meiner Migräne leben zu können.