„Jeder Sonnenstrahl, der nicht in dem Augen schmerzt, ist ein guter Sonnenstrahl.“ – Interview mit Brigitte – Muräne Stories No.114

Wer bist Du und was machst Du?

Hallo, ich bin Brigitte, bin 26 Jahre alt und komme aus dem Bezirk Kirchdorf in Oberösterreich.
Ich habe Radiologietechnologie studiert und arbeite aktuell bei einem niedergelassenen Radiologen in meinem Wohnort.

Wie lange hast Du schon Migräne? Wann fing das an, gab es eine bestimmte Situation an die Du Dich erinnerst?

Ich kann nicht genau sagen, wann die erste Attacke war, aber ich kann mich erinnern, dass ich in der Unterstufe im Gymnasium (5.-8. Schulstufe) oft mit Kopfschmerz und Übelkeit heimgekommen bin. Retrospektiv betrachtet wars damals noch recht einfach therapierbar, entweder Naproxen-Saft oder Erbrechen, das hat dann auch den Kopfschmerz beendet.

Welche Migräneform(en) hast Du und wie äußert sie sich?

Ich habe episodische Migräne, hatte aber auch schon chronische Phasen.
Zurzeit nehme ich Aimovig und Cefaly als Prophylaxe und habe mich auf 3-4 Migränetage pro Monat heruntergearbeitet, auch durch eine Anpassung des Lebensstils.
Ich hatte in den letzten Jahren nur etwa 2-3x eine Aura, ansonsten gibt es kaum Warnzeichen für mich. Ich spüre, dass etwas in Anmarsch ist, weil sich schon Schmerz bildet. Anfälle therapiere ich zurzeit mit Triptanen, Schmerzmitteln und Medikamenten gegen Übelkeit. Am liebsten bin ich dann in einem dunklen, kühlen Raum mit Eispacks auf der Stirn und einer warmen Decke. Gerüche/Licht/Geräusche sind je nach Wirkungsgrad der Medikamente mehr oder weniger störend.
Da ich meistens in den frühen Morgenstunden meine Attacken habe und daher oft noch einige Stunden Zeit habe, bis ich in die Arbeit muss, sind die Schmerzen meist in Grenzen und ich gehe in die Arbeit. Aber ich bin oft sehr sehr müde und stehe neben mir aufgrund der Medikamente, was den Arbeitstag zusätzlich erschwert, da ich mich sehr zusammennehmen muss, mich zu konzentrieren.

Wie geht es Dir heute und wie hat sich Dein Umgang damit verändert?

Die Migräne und ich haben uns über die Jahre sehr verändert. Im letzten Jahr habe ich sehr viel über mich selbst und die Migräne gelernt, hauptsächlich mithilfe der Website der Schmerzklinik Kiel. Ich habe gemerkt, wie krass die Unterschiede zwischen Ö und DE in der Migränetherapie sind, und ich habe soooo viel gelernt, was mir hier in Ö noch nie ein Neurologe/Neurologin erklärt hätte (Entstehungsmechanismus, Pathophysiologie, Auswirkungen, Selbsthilfe). Bei meinem ersten Neurologen-Termin wurde gesagt: „Ja, ihre Eltern haben Migräne, dann haben Sie wohl auch Migräne. Nehmen Sie Triptane bei akuten Anfällen.“ Tja, und das wars. Ich fühle mich schon etwas betrogen von meinen behandelnden Ärzten, dass mir so viel wissenschaftlich erwiesenes Wissen verschwiegen wurde bzw. bezweifle ich bei manchen, dass sie es überhaupt wissen. Das macht mich einfach nur traurig.

Wie beeinträchtigt Dich die Migräne im Beruf und in der Freizeit?

Ich habe in mir den Drang, leistungsfähig zu sein/zu bleiben, daher befinde ich mich oft im schlechten Gewissen, wenn ich mich krankmelde (was eh wirklich selten passiert –> weil zu viel schlechtes Gewissen). Ich übe mich darin, auf mich zu achten und auch mal Nein zu sagen, sowohl beruflich, als auch privat. Aber natürlich ist die Einschränkung da, wenn man nie weiß, ob man einen Termin oder eine Verabredung einhalten kann und wie es einem dann geht. In meinem direkten Umkreis fällt mir das leichter, da kennt jeder meinen Zustand, aber bei weiter entfernten Leuten tue ich mir schwer.

Was ich hilft Dir im Umgang mit der Migräne?

Ruhe, körperlich und psychisch. Gerade die mentale Verfassung ist auch ein Problem für mich. Daher ist es wichtig, positiv zu bleiben und die schönen, guten Tage zu nutzen.

Wie hat Dein Umfeld auf Deine Migräne reagiert und wie reagieren heute noch Menschen, denen Du davon erzählst?

Familiär war es keine große Überraschung (weil Mama, Papa, Oma auch), aber auch kein großes Ding, um das man sich mehr kümmern hätte müssen. Ist halt so.
Mein Freund hat mittlerweile auch viel dazu gelernt, aber ich glaube, so richtig nachvollziehbar ist es für niemanden, der nicht einmal diese Zustände am eigenen Leib erlebt hat. (Ich wünsch es aber tatsächlich niemandem). Unter entfernt Bekannten ist es manchmal lästig, das zu erklären, z.B. weshalb ich keinen Alkohol trinke (Oh, bist du schwanger? NEIN, ich kriege Migräne davon.) Und die Ratschläge sind auch oft ermüdend.

Was hilft Dir im Migräne Anfall?

Im Akutfall definitiv Medikamente, so kann ich einen Anfall zumeist auf ein paar Stunden reduzieren. Ohne Medikamente werden es leidvolle 3 Tage.
Ansonsten am besten Ruhe, dunkler Raum…ja wie oben genannt eben.

Was hast Du schon ausprobiert und was möchtest Du noch ausprobieren?

Was möchtest Du Migräne-Kämpfer:innen sagen?

?: Du bist nicht allein. Es gibt soo viel Wissen da draußen, nimm dir, was dir gut tut, und lass den Rest sein. Wir sind nicht alle gleich, jedem tut was anderes gut.
Verlier dich nicht im Selbstmitleid. Es gibt immer schlechte und gute Phasen, das wichtigste ist, dass du nach den schlechten Phasen immer wieder die Leiter hinauf zu den guten Phasen findest.
Lerne die schönen Seiten des Lebens zu schätzen, auch wenn sie noch so kurz sein mögen. Jeder Sonnenstrahl, der nicht in dem Augen schmerzt, ist ein guter Sonnenstrahl.

Was möchtest Du Menschen ohne Migräne sagen?

Bitte, hört einfach mal nur zu. Versucht, euch euren schlimmsten Kater vorzustellen, und das mehrmals im Monat. Lasst eure Vorurteile und das, was ihr über Migräne zu wissen glaubt, links liegen und lernt was neues. Bitte fragt uns, ob wir zurzeit offen sind für neue Ratschläge, wir sind oft selbst mit uns schon überfordert genug und haben kaum die Kraft, uns mit neuem zu beschäftigen.

Hast Du ein Lebensmotto, einen Spruch, der Dir Kraft gibt?

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: